Mittwoch, den 22.März 2013 im Gasthaus Witte zu Schwalingen. "Die Jagd geht ja nun einmal alle Grundbesitzer an", stellt Vorstand Jürgen Schachtschneider in seinen Eröffnungsworten zur Mitgliederversammlung 2013 der Jagdgenosschenschaft Schwalingen fest und fährt fort "aber das ist vielen offenbar nicht so klar, wie es sein sollte. Darum haben wir uns bei der Einladung zu dieser Versammlung nicht mehr nur auf die übliche Bekanntmachung in der Zeitung beschränkt, sondern jeden einzelnen Grundbesitzer in Dorf und Gemarkung Schwalingen direkt schriftlich eingeladen." Dass dieses Verfahren das Interesse an der Veranstaltung verstärkt weckte, beweisen die 37 Anwesenden im Saal der Gasthaus Witte zu Schwalingen, dem "Reuers", wie es von den Einheimischen genannt wird. "Als ich die Einladung in der Post fand, fühlte ich mich sehr persönlich angesprochen und gemeint. Und das darin angekündigte Informationsangebot hat mich dann verlockt und überzeugt, diese Versammlung zu besuchen", erzählt Sven Riechelmann. Er ist eigentlich kein Schwalinger Einwohner, sondern Land- und Energiewirt und Jäger im Nachbardorf Sprengel. Aber er besitzt einige Landparzellen in der Schwalinger Gemarkung und ist somit von Gesetzes wegen Mitglied der Jagdgenossenschaft Schwalingen.
Mitgliederversammlung 2013 der Jagdgenossenschaft Schwalingen
Aktuelle Themen der Jagd und der Jäger, Manfred Lünzmann, 22.3.2013 Jagdgenossenschaft Schwalingen 22.3.2013 Tagesordnung, 22.3.2013
Jürgen Schachtschneider sagt auch, warum es ihm und seinen Kollegen im Vorstand so wichtig ist, gerade zu dieser Veranstaltung möglichst viele Grundeigentümer begrüßen zu dürfen:" Es ist nicht zu übersehen, dass viele Themen der Jagd und über das Jagen stark in der Öffentlichkeit und auch hier vorort teils heftig in Bewegung gekommen sind. Darauf müssen und wollen wir uns einstellen. Dazu brauchen wir die breite Mitwirkung der Grundeigentümer, damit wir uns für die Zukunft richtig aufstellen." Was er damit meint, wird schnell klar: In 2 Jahren steht ein wichtiges Ereignis an, nämlich die Neuverpachtung der Jagdausübungsrechte im gemeinschaftlichen Jagdbezirk Schwalingen per 1.April 2015. “Bis dahin soll die Zeit zur Vorbereitung genutzt werden, durch breite Meinungsbildung unter den Grundeigentümern und auch durch Gespräche mit möglichen Pachtinteressenten,” erklärt Jürgen Schachtschneider. Damit das alles auch von sachlicher und fachlicher Kompetenz der Grundbesitzer in der Jagdgenossenschaft Schwalingen getragen ist, können Interessierte in der nächsten Zeit ihre Kenntnisse über die (nicht nur) rechtlichen Grund- lagen der Jagd in Deutschland und Niedersachen in verschiedenen Informationsveranstaltungen auffrischen und auf den aktuellen Stand bringen. "Denn da hakt es an der einen oder anderen Stelle", räumt Jürgen Schachtschneider ein und kündigt als ersten Schritt hierzu den Beitrag zum"Jagdrecht und Jagdausübungsrecht" im späteren Verlauf der Versammlung an. Manfred Lünzmann greift als Mitpächter in dem ‘Bericht der Pächter des gemeinschaftlichen Jagdbezirks Schwalingen’ die Bemerkung von Jürgen Schachtschneider zur aktuellen öffentlichen Diskussion der Jagd und des Jagens auf. Wie brisant sich diese Diskussion entwickelt und weiter entwickeln kann, macht er mit der Hinweis auf die auffallend unterschiedliche Tiefe der Einbindung von Jagd und Jäger in der Gesellschaft der europäischen Länder deutlich: Während z.B. in den nordischen oder den südeuropäischen Ländern (1 Jäger auf 40-60 Einwohner) eine eher moderate Kontroverse um Jagd und Jäger ausgetragen wird, dominieren inzwischen die Argumente der Jagdgegner z.B. in einigen deutschsprachigen Ländern (1 Jäger auf etwa 240 Einwohner) die öffentliche Meinungsbildung zur Jagd und insbesondere über die Jäger. Höchst interessant und kenntnisreich erläutert Manfred Lünzmann als Jäger, aber auch als Grundeigentümer in der Jagdgenossenschaft Schwalingen, anhand einer Auswahl aktueller Themen die Herausforderung und problematische Entwicklung um Jagd und Jäger und zeigt mögliche Konsequenzen auf, die eintreten können, wenn ein konstruktives Gegenlenken ausbleiben oder fehlschlagen sollte: Naturentfremdung, gesellschaftliche Wertewandel, Jagdgegner, Landwirtschaftlicher Strukturwandel, Wild-Wald-Diskussion, Kosten und Steuern der Jagd, Wildunfallverhütung, Wildschadenverhütung,… "Das Radikale von gestern ist das Normale von morgen", gibt Manfred Lünzmann zusammenfassend zu bedenken. "Die Hilflosigkeit der Jagdverbände auf allen Ebenen gegenüber dieser Entwicklung aber ist die eigentliche Katastrophe !" Das komplexe Zusammenwirken dieser Aspekte der Jagd und des Jagens faszinieren die Anwesenden und fordert ihre ganze Aufmerksamkeit: "So geballt hab' das bisher noch nicht vermittelt bekommen. Das muss ich erst einmal verdauen", ist am Tisch zu hören und dann lehnt sich der Sprecher in seinem Stuhl zurück.
Bericht der Jagdpächter.
Natürlich gehört zum Bericht der Jagpdpächter auch der Streckenbericht des gemeinschaftlichen Jagdbezirkes Schwalingen zum Jagdjahr 2012 / 2013. (Er kann hier nachgelesen werden.) Manfred Lünzmann macht besonders auf die Besorgnis erregende Situation beim Niederwild in Schwalingen aufmerksam: "Die Niederwildstrecke ist ein deutlicher Indikator für den Zustand der Jagd im Revier und der ist einfach schlecht hier - es muss dringend etwas zur Verbesserung getan werden," stellt er schonungslos fest und nimmt den betroffenen Zuhörern gleich auch noch den letzten Hoffnungsstrohhalm: "Dass hier einiges Schwarzwild zur Strecke gebracht wurde ist zwar gut und schön, ändert aber rein gar nichts an diesem düsteren Bild des Niederwildes. Denn das Schwarzwild entwickelt sich durch den rasanten landwirtschaftlichen Strukturwandel unter Bedingungen, die nicht mehr als normal anzusehen sind. Da gehen die Sorgen geradezu in die andere Richtung." Ein wenig Entspannung ist in der Versammlung zu spüren, als Kassenwart Henning Schröder seinen Kassenbericht vorträgt. Keine besonderen Einnahmen oder Ausgaben sind zu vermelden. Die Wildschadensausgleichsansprüche blieben der Höhe nach im Verantwortungs-bereich der Jagdpächter, so dass die Jagdkasse der Jagdgenossenschaft hierzu nicht angegriffen werden musste. So hat sie einen beruhigenden Bestand. Kassenprüfer Dirk Witte bescheinigt dem Kassenwart eine ordnungsmäßige Kassenführung, die die Versammlung mit einstimmiger Entlastung bestätigt. Gustav Witte nimmt anschließend die Wahl zum neuen Kassenprüfer an. Zu einer erneuten Anstrengung ihrer Konzentration werden die Anwesenden eingeladen, als Hans-Dieter Mueller seinen Beitrag über den wichtigen Unterschied zwischen Jagd und Jagen beginnt: "Jagdrecht oder Jagdausübungsrecht". "Wir hätten uns auch einen externen Fachmann hierzu einladen können", beginnt er, "aber, abgesehen davon, dass der sehr teuer ist und daher gern wiederkommen würde, nimmt er all sein Wissen wieder mit, wenn sein Vortrag vorbei ist. Wir brauchen aber dieses Grundwissen hier im Dorf und nachhaltig zur Hand. Darum wollen wir gemeinsam die Materie verstehen, unser Wissen auffrischen und nach unserem Bedarf diskutieren. Dieses Wissen gehört doch schließlich zu unserem "Handwerkszeug" in der Jagdgenossenschaft. Jeder Grundeigentümer sollte sich darin auskennen." Aber nicht jeder liest gern Gesetzestexte. Also hat Hans-Dieter Mueller die Grundsätze des Bundesjagdgesetzes und des Niedersächsischen Jagdgesetzes in kurzen Kernsätzen leicht verständlich zusammengefasst und geordnet. Vieles ist den Anwesenden ‘eigentlich’ bekannt, aber in den übersichtlichen Zusammenhang gestellt dann doch wieder interessant und wissenswert: In seinen Grundsätzen betreffen die Rechte und Pflichten des deutschen Jagdrechtes jeden Grundeigentümer. So ist z.B. weniger überraschend, dass das Jagdrecht gesetzlich zwingend und untrennbar mit dem Eigentum an Grund und Boden verbunden ist. Dass es aber auch die Pflicht des Grundeigentümers zur Hege beinhaltet, das war doch in dieser Deutlichkeit nicht allen Zuhörern geläufig. Denn dadurch sind die Grundeigentümer dem gesetzlichen Ziel der Hege verantwortlich, nämlich für die biologische Vielfalt und den artenreichen, gesunden Wildbestand. Zu dieser Verpflichtung gehört auch das Erhalten der natürlichen Bedingungen für das Vorkommen der einzelnen Wildarten, also des Lebensraumes des Wildes - und das nicht nur im Wald, sondern auch in der Feldmark. Spätestens hier wird den aufmerksamen Zuhörern deutlich, an wen sich der Appell von Manfred Lünzmann hinsichtlich der kritischen Situation des Niederwildes in Schwalingen richtete: An die Anwesenden, die Grundeigentümer in der Jagdgenossenschaft, zu denen er selbst ja auch gehört. Es steht im Raum, dass die gesetzlich gewollte Balance zwischen "Jagdausübung" und "Hege" im gemeinschaftlichen Jagdbezirk Schwalingen wohl schon seit einiger Zeit nicht mehr die Waage hält. Und genau diesen Gedanken nimmt dann auch Jürgen Schachtschneider in seinen Abschlussworten zur Mitgliederversammlung wieder auf.
Die Jagdkasse stimmt.
Jagd oder Jagen.
Vorstand Jürgen Schachtschneider bittet die anwesenden Grundeigentümer zu prüfen, ob sie geeignete Flächen zur Verfügung stellen können, auf denen Brut- oder Schutzmöglichkeiten insbesondere für Niederwild eingerichtet werden können. Der Vorstand der Jagdgenossen-schaft würde im gegebenen Fall gern der Mitgliederversammlung zur Entscheidung empfehlen, eine solche sehr gewünschte Maßnahme finanziell zu unterstützen. Jürgen Schachtschneider selbst, Landwirt und Rinderzüchter, ist schon mit gutem Beispiel vorangegangen und hat auf seinen Ackerflächen, die er im vergangenen Herbst mit Wintergetreide bestellt hat, "Lerchenfenster" angelegt. "Eine ungewöhnliche Veranstaltung", fasst Sven Riechelmann seine Eindrücke zusammen. "Ich freue mich, dass ich zu dieser Veranstaltung nach Schwalingen gekommen bin. Das war wirklich gut, ich hab' hier richtig etwas dazugelernt". Und so oder so ähnlich ist die Zufriedenheit mit der Veranstaltung auch aus den Rückmeldungen vieler anderer Teilnehmer heraus zu hören.
Zum Schluss eine Bitte.
Jagdgenossenschaft Schwalingen, 22.März 2013
Die Jagd geht alle an.
© Fotos: HDMueller, Schwalingen