Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mit seinem Urteil im Juni 2012 zum geltenden Deutschen
Jagdgesetz festgestellt, dass die mit der Zwangsmitgliedschaft in Jagdgenossenschaften verbundene Pflicht des
Grundeigentümers, die Ausübung der Jagd durch Dritte auf seinem Grundstück trotz entgegenstehender
ethischer Motive zu dulden, gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt.
Die Bundesrepublik Deutschland hat als Unterzeichnerstaat der Menschenrechtskonvention die Pflicht, das
Urteil umzusetzen und eine konventionskonforme Rechtslage herzustellen.
Daher hat die Bundesregierung zur Umsetzung dieses Urteils des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte eine Änderung des Bundesjagdgesetzes entworfen, die am 19.12.2012 vom Bundeskabinett
verabschiedet wurde.
Mit dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf können Grundeigentümer demnächst unter bestimmten
Voraussetzungen beantragen, dass ihr Grundstück durch die zuständige Behörde unter bestimmten
Voraussetzungen aus ethischen Gründen zum befriedeten Bezirk erklärt wird. Entsprechende Anträge können
nur von natürlichen Personen gestellt werden. Die ethischen Motive sind vom Grundeigentümer gegenüber der
Behörde glaubhaft zu machen. Die Jagdbehörde hat vor der Entscheidung über den Antrag eine Anhörung der
Jagdgenossenschaft, der Jagdpächter, der angrenzenden Grundeigentümer, des Jagdbeirats sowie der Träger
öffentlicher Belange durchzuführen.
Da die Nichtbejagung einzelner Flächen des gemeinschaftlichen Jagdbezirks erhebliche Auswirkungen auf die
angrenzenden Flächen haben kann (insbesondere bezüglich Regulierung des Wildschadens, Vermeidung von
Wildschäden, Vermeidung von Wildseuchen etc.) wird über den Antrag nach Abwägung mit den
Allgemeinwohlbelangen sowie den Interessen betroffener Dritter (insbesondere der Land- und Forstwirtschaft)
entschieden.
Flankierende Regelungen enthält der beschlossene Entwurf zur Haftung des ausscheidenden Grundeigentümers
für Wildschäden, zur Wildfolge, zum jagdlichen Aneignungsrecht von erlegtem Wild und zu weiteren Fragen.
Der Gesetzentwurf wird jetzt kurzfristig in den Bundestag eingebracht und kann 6 Monate nach seiner
Verkündung in Kraft treten.
Darüber hinaus wird die Strafvorschrift zur Jagdwilderei (§ 292 StGB) an die neu geschaffene Befriedung aus
ethischen Gründen angepasst. Damit soll sichergestellt werden, dass ein Betreten der aus ethischen Gründen
befriedeten Grundflächen, die in der Flur nicht unbedingt als solche erkennbar sind, für die im Jagdbezirk zur
Jagdausübung befugten Personen keine Strafbarkeit nach sich zieht.
Flächen der Jagdgenossenschaft zukünftig
nicht mehr unbedingt
ein geschlossenes Jagdrevier ?
laut Bekanntmachung des
ZJEN, Zentralverband der Jagdgenossenschaften
und Eigenjagden in Niedersachsen e.V.
laut Bekanntmachung des
BMELV, Bundesministeriums für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz
... mehr
Urteil des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofes vom 30.Januar 2013:
Die Befreiung von der Zwangsmitgliedschaft in Jagdgenossenschaften
ist aus ethischen Gründen möglich.
Ein Grundbesitzer aus Unterfranken lehnt die Jagd aus ethischen Gründen ab und will sie auf seinem
Grundstück einschränken lassen. Seine entsprechende Klagen hat bisher das Verwaltungsgericht Würzburg
aufgrund des geltenden Deutschen Jagdrechtes abgelehnt. Nun aber hat der Bayrische Verwaltungsgerichtshof
vor wenigen Tagen in einem Aufsehen erregenden Urteil zu seinen Gunsten entschieden.
Der Bayrische Verwaltungsgerichtshof bezieht sich in seinem Urteil auf das Urteil des Europäischen
Gerichtshofes vom Juni 2012, zu dem die Umsetzung in deutsches Recht im Entwurf vorliegt (siehe unten).
Danach ist die gesetzliche Einbindung eines Grundeigentümers, der die Jagd aus ethischen Gründen ablehnt, in
eine Jagdgenossenschaft eine unverhältnismäßige Belastung. Es sei davon auszugehen, so der BayVGH, dass die
Zwangsmitgliedschaft des Antragsstellers gegen das Grundgesetz und die Europäische
Menschenrechtskonvention verstoße. Die entsprechenden Vorschriften des bundesdeutschen Jagdgesetzes
(insbesondere über die Jagdausübung auf dem Grundstück, über die Beteiligung am Jagdertrag und am
jagdgenossenschaftlichen Wildschadensersatzsystem) seien daher vorläufig nicht anzuwenden.
Dieses Urteil des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofes hat unmittelbare Wirkung im Land Bayern, aber ist
richtungsweisend für die Rechtsprechung in der gesamten Bundesrepublik und betrifft in seinen unabsehbaren
Folgen daher alle Jäger und auch die Mitglieder der Jagdgenossenschaften: “Wenn dieses Beispiel Schule macht,
bricht über kurz oder lang unser Reviersystem und damit die Jagd insgesamt zusammen” befürchtet der
Präsident des Bayrischen Jagdverbandes Prof.Dr. Jürgen Vocke.
Der Bundesrat beschließt das neue Jagdgesetz.
Am 22.März 2013 beschloss der Bundesrat die Änderungen des Bundesjagdgesetzes, mit der die Vorgaben des
Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in deutsches Recht umgesetzt werden. Nach Unterzeichnung
durch den Bundespräsidenten und Veröffentlichung im Bundesanzeiger tritt das Gesetz 6 Monaten später in Kraft.
Danach ist es zukünftig möglich, dass Grundstückeigentümer in Deutschland auf Antrag und unter bestimmten
Voraussetzungen die Jagdausübung auf ihren Grundstücken ganz verbieten oder einschränken lassen
(Befriedung).
Dabei ist ein amtliches Verfahren einzuhalten, damit öffentliche Interessen gewahrt werden können, z.B. Schutz
vor Tierseuchen oder Schutz vor Wildschäden in der Land- oder Forstwirtschaft. In dem amtlichen Verfahren muss
der Eigentümer seine ethischen Bedenken gegen die Jagd glaubhaft machen. Die zuständige Behörde wird zu dem
Antrag auf Befriedung ggfs. auch Jagdpächter und Nachbarn anhören.
Wird dem Antrag stattgegeben, sind die betreffenden Grundstücke des Jagdbezirkes befriedet, d.h. die Jagd darf
auf ihnen nicht mehr ausgeübt werden. Der Eigentümer scheidet damit aus der Jagdgenossenschaft mit allen
Konsequenzen aus. Das gemeinschaftliche Jagdrevier der Jagdgenossenschaft verringert sich um diese Flächen.
Weitere Grundstücke
gerichtlich von der Jagd freigestellt.
Das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg hat mit Urteil vom 19.Februar 2013 der Klage einer ethischen
Jagdgegnerin entsprochen und ihr Grundstück mit Wirkung ab 1.April 2013 vorläufig von der Jagd freigestellt.
Damit sind es nun bereits drei Grundstücke in Deutschland, die durch Gerichtsbeschluss auf der Grundlage des
Urteils des Europäischen Gerichtshofes von der Zwangsmitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft befreit
worden sind - zwar unter dem Vorbehalt der Vorläufigkeit (das Gesetz zur Änderung des Deutschen
Jagdgesetzes befindet sich noch in der Beratung), aber nach Auffassung von Rechtsexperten durchaus
richtungweisend.
Freiwilliger Jagdverzicht für einen Jagdgegner
im Landkreis Harburg.
Ein Grundstückseigentümer im Landkreis Harburg stellte bei der Jagdbehörde den Antrag, dass auf seinem
Grundstück die Jagd nicht mehr ausgübt werden darf. Als der Antrag abgelehnt wurde erhob der
Grundstückseigentümer Klage beim Verwaltungsgericht Lüneburg unter Bezug auf das Urteil des Europäischen
Gerichtshofes für Menschenrechte vom Juni 2012. Danach sind seine Grundflächen zu befriedeten Bezirken zu
erklären, wenn er glaubhaft machen kann, dass er die Jagdausübung aus ethischen Gründen ablehnt. Die Jagd ruht
dann auf seinen Flächen.
Mit Beschluss vom 11.März 2013 lehnte das Landgericht Lüneburg den Antrag des Grundbesitzer auf ein Ruhen
lassen der Jagd auf seinen Grundstücken ab, weil eine Entscheidung des Landgerichtes gar nicht erforderlich ist:
Inzwischen haben nämlich die Pächter des Jagdausübungsrechtes auf seinen Grundstücken und auch die
betreffende Jagdgenossenschaft erklärt, auf die Jagd auf den betroffenen Flächen zu verzichten. Ausserdem erklärte
die Jagdgenossenschaft, dass für den klagenden Grundbesitzer die sich aus der gesetzlichen “Zwangs”-
Mitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft ergebenden Rechte und Pflichten vorerst ruhen.
Nun hat der klagende Grundbesitzer Zeit und Gelegenheit, seine ethischen Gründe gegen die Jagdausübung
gegenüber dem Landgericht glaubhaft zu machen und nachvollziehbar darzulegen, denn daran haperte es noch.
Gesetz zur Änderung jagdlicher
Vorschriften im Bundesgesetzblatt veröffentlicht -
ab 6.Dezember 2013 in Kraft.
In dem neuen § 6a des Bundesjagdgesetzes sind die Vorschriften zur
“Befriedung von Grundflächen aus ethischen Gründen” umfassend
geregelt. Sie treten mit dem 6.Dezember 2013 in Kraft.
Damit sind zukünftig Grundflächen, die zu einem gemeinschaftlichen
Jagdbezirk gehören (Jagdgenossenschaft) und Eigentum einer natürlichen
Person sind, auf Antrag des Grundeigentümers von den zuständigen
öffentlichen Stellen zu befriedeten Bezirken zu erklären. Voraussetzung ist,
dass der Grundeigentümer glaubhaft macht, dass er die Jagdausübung aus
ethischen Gründen ablehnt.
Der Eigentümer, der selbst die Jagd ausübt oder die Jagdausübung durch Dritte auf seinen Grundstücken duldet,
kann keine ethischen Gründe für eine Befriedung seines Grundstückes geltend machen. Das gilt ebenso für
Eigentümer, die Inhaber eines Jagdscheines sind oder einen Jagdschein beantragt haben.
Die Befriedung der Grundflächen soll mit Ende des laufenden Jagdpachtvertrages in Kraft treten. Im Einzelfall kann
die Befriedung auch zum Ende eines Jagdjahres ausgesprochen werden. Ggfs. ist dann der Grundeigentümer
schadensersatzpflichtig gegenüber des Jagdgenossenschaft.
Der Antrag auf Befriedung wird von den zuständigen Behörden abgelehnt, wenn durch das Ruhen der Jagd auf
dem befriedeten Grundstück in dem Bezirk der Jagdgenossenschaft, in dem sie liegt, übergeordnete Belange der
Jagdrechtes gefährdet werden würden.
Eigentümer befriedeter Grundflächen haben sich im Verhältnis an dem Ersatz für Wildschäden im Bezirk der
Jagdgenossenschaft zu beteiligen. Das gilt nicht, wenn der Wildschaden auch ohne die Befriedung eingetreten wäre
oder wenn das schädigende Wild auf dem befriedeten Grundstück nicht vorkommt. Im Falle der Wildfolge ist der
Eigentümer der befriedeten Fläche bereits vor Beginn der Wildfolge über deren Notwendigkeit in Kenntnis zu
setzen bzw. unverzüglich, falls Belange des Tierschutzes dem entgegenstehen. Ggfs. steht das Aneignungsrecht
dem Jagdausübungsberechtigten des genossenschaftlichen Jagdbezirks zu.
Der vollständige Text des Gesetzes ist hier nachzulesen.